Statusupdate Mobilität

In der Vergangenheit galt das Auto als Statussymbol. Doch das wandelt sich. »Das beste Auto ist das, was nicht mehr gebaut werden muss«, bringt die Autorin Katja Diehl in ihrem Buch „Autokorrektur“ das Denken einer jüngeren Generation auf den Punkt. Wichtiger heute: Klimafreundlich und bezahlbar ankommen.

Wer früher erfolgreich war und es sich leisten konnte, fuhr Auto und zeigte es auch. Das Automobil galt nicht nur als Nonplusultra der Fortbewegung, sondern auch als Zeichen von Erfolg und Unabhängigkeit. Doch diese Vormachtstellung bröckelt.

Unsere Zeit ist geprägt von einem wachsenden Klimabewusstsein und einem grundlegenden Wertewandel, was Mobilität anbelangt. In Zukunft werden Menschen zwar immer noch Auto fahren, aber nur, wenn sie es auch wollen. Sie müssen es nicht mehr nutzen – denn es gibt attraktive Alternativen, die bezahlbar und klimafreundlich sind.

Hat das Auto also als Statussymbol ausgedient? Und wie sieht der Weg zu einer gerechten und fairen Mobilität der Zukunft aus, die den Menschen ins Zentrum rückt – und nicht länger eine Technik oder ein einziges Fortbewegungsmittel?

 

Aufstieg und Niedergang der automobilen Dominanz

Wichtig ist, zu verstehen, wie viele Abhängigkeiten rund um das Auto über die Jahrzehnte entstanden sind. Diese sind keine selbstverständliche Entwicklung, sondern das Ergebnis von Entscheidungen.

1909 erließ der deutsche Kaiser Wilhelm II. das erste Kraftfahrgesetz für das Deutsche Reich. Im Jahr 1913 ließ Henry Ford in seinen Fertigungshallen in den USA zum ersten Mal ein Fließband laufen und verwandelte somit das Auto in ein erschwinglicheres Massenprodukt. In den 1920er Jahren wurden die ersten dreifarbigen Ampeln in Paris und Hamburg installiert. 1934 wurde schließlich in Deutschland die räumliche Trennung zwischen Fußgängern und Fahrzeugen vollzogen. Wo vorher noch ein buntes Treiben von spielenden Kindern und Fußgängern auf Straßen und Plätzen herrschte, waren nunmehr Autos zu sehen.  Der vormals gemeinsam genutzte Raum wurde an ein Verkehrsmittel abgetreten: Das Auto wurde priorisiert.

Die Nationalsozialisten festigten während des Zweiten Weltkriegs weiter die Vormachtstellung des Automobils hierzulande: sie versprachen für alle Deutschen einen Volkswagen. Am 26. Mai 1938 legten sie den Grundstein für das VW-Werk - und produzierten dort allerdings Rüstungsgüter. Bis Kriegsende verließen lediglich 630 zivile Fahrzeuge das Werk für führende NSDAP-Funktionäre.

Der eigentliche Siegeszug des VW-Käfers sollte erst nach dem Krieg erfolgen. Dann wurde das Auto „ein anfassbares Symbol für Erfolg“, wie die Bestsellerautorin Katja Diehl in ihrem Buch „Autokorrektur“ schreibt. „Für die deutsche Industrie als auch für den Mann, in jener Zeit der Ernährer, der mit dem Auto zur Arbeit fuhr. Während Frauen ihre Wege unbezahlt und unsichtbar zurücklegten.“

An diesem Beispiel zeigt sich auch: Mobilität ist nie geschlechtsneutral. Frauen und Männer haben unterschiedliche Bedürfnisse und nutzen Mobilität anders, wie Expertinnen von „Women in Mobility“ auf ihrem Mobilitäts-Portal herausstellen.

Bei Personen die unbezahlte Sorgearbeit, Kinderbetreuung und Angehörigenpflege leisten, besteht bei der Frage nach Mobilität eine höhere Anforderung an Barrierefreiheit und Nähe. Allein schon deshalb, um Einkäufe zu erledigen, Besorgungen zu transportieren, Menschen zu begleiten und Kinder zu betreuen.

Der Großteil deutscher Städte ist allerdings nicht für kurze Wege ausgerichtet. Diese Stadtplanung ging auf den Architekten Hans Bernhard Reichow zurück. Mit seinem 1959 erschienenen Buch „Die autogerechte Stadt – Ein Weg aus dem Verkehrschaos“ beeinflusste er die Entwicklung einer Stadt, in der Personenkraftwagen wichtiger sind als Personen.  Auch die automobile Prägung von Stadt und Land wurde zu einer neuen Normalität. Statt ein multimodales Verkehrsnetz zu entwickeln, das den Wechsel im öffentlichen Nahverkehr begünstigt, wurden in der Vergangenheit vor allem Straßen für das Auto gebaut.

 

Statusupdate hin zu mehr Umweltbewusstsein?

Doch heute verschiebt sich das Kräfteverhältnis hin zu anderen Verkehrsmitteln und einer inklusiveren Stadtplanung, die mehr auf die Bedürfnisse von allen Bewohnern eingeht. Von Kindern bis Radfahrerinnen. Das Umdenken hat mehrere Gründe. Die Sensibilität für Umweltfragen in unserer Gesellschaft wächst. Klimafreundliche Alternativen zum Auto wie der öffentliche Nahverkehr werden attraktiver, vernetzter und bezahlbarer. Und für eine jüngere Generation ist der Unterhalt eines Autos mittlerweile „ein teurer Klotz am Bein“, wie der Mobilitätsexperte Robin Engelhardt schreibt. Junge Menschen beurteilen mittlerweile Nutzen wichtiger als Besitz.

Ein Wertewandel scheint sich abzuzeichnen, hin zu einem umweltbewussten Lebensstil und dem Gefühl für Gemeinschaft, wenn es um Statusfragen geht. Allerdings ist dieses Umdenken noch nicht ganz in der Realität angekommen. Noch nie gab es in Deutschland so viele Autos wie heute. Auch bei jungen Menschen sind die Zahlen konstant hoch. So waren 2023 auf unter 25-Jährige 1,12 Millionen Pkws zugelassen, vor zehn Jahren waren es genauso viele.

Um den Sprung in eine klimafreundliche Mobilitätszukunft zu schaffen, braucht es deshalb weiterhin Anreize. Mehr Investitionen in die Infrastruktur für öffentlichen Nahverkehr, neue Tarife wie das Deutschland-Ticket und eine bessere Bewusstseinsbildung.

Dennoch zeichnet sich am Horizont ein Trend beim Statusupdate ab: Mobile Freiheit wird weniger exklusiv, sie schließt Menschen nicht mehr aus. Mobile Freiheit wird inklusiver, sie schließt immer mehr Menschen mit ein. In der Stadtplanung wie auch in der Mobilität.

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